Was wir von Kindern lernen können


Wenn wir Kinder bekommen, beginnt ein großer Lehrauftrag – wir bringen ihnen viel bei, was man tun und was man besser lassen sollte, dass das unheimliche Geräusch aus dem Dachboden nur der Wind ist, der durch den Giebel pfeift, Laufen, Sprechen und dass das aufgeschlagene Knie weniger weh tut, wenn man darauf pustet. Doch es gibt einige Dinge, die Kinder uns voraus haben, die wir, wenn wir achtsam und offen sind, von ihnen lernen können. Diese Dinge würden nicht nur unseren Alltag verbessern, sondern uns auch in unserem Job besser machen. Neugierig?

Kinder schämen sich nicht

Kennst du das? Du stehst morgens auf und kommst unterwegs fast unbekleidet an einem Spiegel vorbei. Es gibt jetzt zwei Taktiken. Nummer 1: du läufst schnell daran vorbei und siehst in die andere Richtung oder – die viel bessere – Nummer 2: du beginnst deinen Körper so zu betrachten, wie ein zweijähriges Kind. Körperscham ist nämlich nicht angeboren, sondern antrainiert – kleine Kinder stehen vor dem Spiegel und drücken ihren Bauch mit aller Macht zu einer Kugel und lachen sich schlapp. Der Unterschied ist, dass Kinder ihren Körper fair sehen; es ist eine völlig wertfreie Betrachtung. Unser Unbehagen kommt nur daher, dass wir nicht einem Idealbild entsprechen oder weil wir uns mit anderen vergleichen – wie ich manchmal gerne zum Spaß sage: „Wie glücklich ich mit meiner Figur bin, kommt darauf an, wer direkt neben mir steht.“ Das sind Gedanken, die sich Kinder gar nicht machen.

Kinder sehen auf Fotos immer toll aus

Als Fotograf erlebe ich das fast täglich: 90 % aller Menschen lassen sich nicht gerne fotografieren. Eine der liebsten Begründungen ist, dass sie auf allen Fotos einfach schrecklich aussehen. Du weißt ja, wie das mit Kindern ist. Die können volle Windeln, Schlamm im Gesicht oder Grobmotorik-trifft-auf-Filzstifte wie ein Kuntwerk von Picasso sein – sie sehen auf Fotos immer großartig aus. Das gilt übrigens nicht nur für die eigenen Kinder – der Grund dafür ist, dass Kinder nicht daran zweifeln, dass sie wertvoll sind. Genau das macht die eigene Scham vor der Kamera aus: wir haben Angst, uns auf den Bildern wieder nicht zu gefallen und wenn das so ist, dann können wir nicht schön sein – was sich oft mit wertvoll übersetzen lässt. Wir können von Kindern also lernen, dass wir im Grundsatz immer toll und wertvoll sind – ganz egal ob wir etwas können oder wie wir aussehen – und dann kommt die gute Ausstrahlung ganz von allein. Ich arbeite in Shootings und Coachings mit diesen „Angstpatienten“, übrigens genau nach diesem Prinzip und du wirst es nicht glauben, so ein Glaubenssatz wie „Ich bin total unfotogen!“ kann sich rasend schnell verändern. Und wäre das nicht schön?
Die besten Netzwerker der Welt finden wir nicht auf LinkedIn oder Xing, sondern in Sandkästen und auf Klettergerüsten. Kinder finden in Sekundenschnelle Spielpartner, Freunde und Gleichgesinnte, die schlammigen Sand ganz genauso großartig finden. Es scheint ganz so, als würde diese Mauer, die immer zwischen uns und Fremden besteht, für sie gar nicht existieren. Ich verrate dir Geheimnis: diese Mauer steht nur in deinem Kopf. Es kann als Erwachsener ganz genauso leicht sein, es einfach zu wagen. Ich selbst bin das lebende Beispiel – ich lerne immer und überall Menschen kennen, ganz einfach, weil ich mich traue, als erster zu sprechen oder jemanden etwas zu fragen oder einfach nett zu sein. Es funktioniert fast immer und wenn, dann tut das weniger weh, als sich im Nachhinein wieder darüber zu ärgern, dass man „nie jemanden kennenlernt!“ Probier es aus – es wird nicht nur eine lange Bahnfahrt versüßen, es ist wie Doping für dein Liebesleben und Zunder für dein Business – genauso werden Kontakte geknüpft!

Kinder kennen kaum Scham sie sind authentisch und weltoffen.

Ein Gefühl, das unwiderstehlich ist

Wenn ein Kind lächelt, dann schmilzt der Widerstand – das gilt allerdings nicht nur für sie, sondern ganz im Allgemeinen. So ein kleiner Fratz in einem Buggy hat eben einfach den Mut und meistens auch die gute Laune, die es braucht – es ist der perfekte Einstieg um wie oben beschrieben ins Gespräch zu kommen oder seine Wirkung auf andere positiv zu verändern. Und das Schönste ist die Nebenwirkung: wenn wir bei schlechter Laune trotzdem lächeln, sind wir den Gram und die blöden Gedanken meistens rasend schnell los! Viel Spaß beim Selbstversuch – du wirst nicht widerstehen können!

Kinder sind Fragmente einer besseren Welt. Es gibt keine tolerantere Seele, als ein Dreijähriger, der weder Hautfarben noch Landesgrenzen kennt – manchmal guckt er neugierig, doch es ist ihm unmöglich, Vorurteile zu haben. Kinder sind so herrlich ungeprägt von Hassparolen oder der Bildzeitung, dass sie die Welt viel liebevoller und offener betrachten. Es ist ihnen egal, ob diese oder jene Frau mit ihrem Gewicht dieses Kleid tragen kann oder ob die Handtasche schon aus der letzten Saison ist. Für sie ist alles interessant und anders, neu und begeisternd.
Genau das hilft den Kindern auch so glücklich und im Augenblick zu leben. Hast du schon mal beobachtet, dass die Zeit immer schneller vergeht, je älter du wirst? Das liegt einzig und allein daran, dass wir als Erwachsene immer das Gleiche tun. Wir stehen auf, gehen zur Arbeit, kommen nach Hause, essen das Gleiche, verbringen den Abend mit ähnlichen Aktivitäten – irgendwann schaltet unser Gehirn in den Durchlaufmodus. Unsere Wahrnehmung wird derart eingeschränkt, dass uns die kleinen Juwelen des Lebens entgehen. Kinder dagegen lernen jeden Tag etwas Neues, sie entwickeln sich rasant und entdecken hinter jedem Stein ein neues Königreich – die Tage vergehen so nicht langsamer, sind aber einfach inhaltsschwerer. Also: vergiss nicht zu staunen und gibt den Kleinigkeiten die Chance, schwer zu wiegen und vielleicht nicht nur deinen Tag zu bereichern, sondern sogar dein Leben zu verändern.

Vielleicht denkst du ja in der nächsten Zeit mal an mich und diesen Artikel und wer weiß, vielleicht kannst du lernen, die Welt mit Kinderaugen zu sehen und zu lieben, als wärst du nie verletzt worden. Auch wenn es nach einer großen Aufgabe klingt: gib deinem inneren Kind öfter die Chance, das Ruder zu übernehmen, für ein selbstbewusstes, glückliches und erfülltes Leben.


Florian Beier

ist Fotograf und Mental Coach in Einem. Mit seinem Wissen und Feingefühl bringt er jeden Menschen auf Fotos zum Strahlen. Egal ob er Gedichte schreibt, Vorträge hält oder eigene Songs textet er lässt sich dabei von der Liebe antreiben. Was er anpackt hat Herz.

Für den Inhalt des Artikels ist ausschließlich der Autor verantwortlich.


photo credits: marek&beier