Interview: Verpackungsfrei einkaufen im RutaNatur


Recycling kennst du bereits, es bedeutet den entstandenen Müll zu trennen und wenn möglich einem neuem Zweck zuzuführen. Wiederverwertung gelingt aber nur bei manchen Materialien und auch nur bis zu einem gewissen Grad. Zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in unseren Weltmeeren, schreibt das Fachmagazin Science. Zerstören wir weiterhin in diesem Tempo die Ökosysteme unserer Erde, haben wir bald keinen Planeten mehr auf dem es sich leben lässt. Es gibt eine Lösung des Problems und du kannst selbst dazu beitragen! Recycling reicht heutzutage lange nicht mehr aus. Precycling – den Müll vermeiden bevor er entsteht ist die Lösung für unser anwachsendes Umweltproblem. Ich durfte ein Interview führen mit Ramona, sie macht in ihrem Bioladen RutaNatur das verpackungsfreie Einkaufen endlich möglich. Hier erfährst du mehr über das Konzept des Ladens und erhältst nebenbei praktische Tipps für ein plastikfreies Leben.

Sandra: Liebe Ramona, erst einmal herzlichen Glückwunsch, du bist gerade zum ersten Mal Mama geworden!  Danke, dass du dir trotz deiner vielen (neuen) Aufgaben die Zeit nimmst für ein Interview mit Brain Food! Es gibt da noch ein anderes Baby in deinem Leben über das ich heute gerne mit dir sprechen möchte: Dein umweltbewusstes Start-up RutaNatur.

Ich frage die Leute gerne nach ihrer Motivation. Wie kam es dazu, dass du im Sommer 2016 in Augsburg den ersten verpackungsfreien Laden aufgemacht hast?

Ramona: Beim Einkaufen ärgerte ich mich ständig über die unnötigen Plastikhüllen, in denen unser täglicher Bedarf eingepackt ist und versuchte das schon mit allen Mitteln zu umgehen, was aber äußerst schwierig und kompliziert war. Ich sehnte mich nach einer einfacheren Lösung und war überzeugt davon, dass das doch nicht so schwer sein kann. In mir schlummerte auch schon länger der Traum von einem eigenen, ökologischen Kaufladen mit persönlicher Beratung und familiärer Atmosphäre. Vor etwa zwei Jahren verspürte ich einen zunehmenden Drang, etwas verändern zu müssen. Zusätzlich angespornt hat mich das Buch von Harald Welzer: Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand*, das ich in der Zeit las.

So kamen diese und ein paar andere Dinge zusammen und im August 2016 war es dann soweit, der verpackungsfreie Bioladen RutaNatur öffnete seine Türen.

Sandra: Ich nehme an, du führst selbst auch einen umweltbewussten Lebensstil. Wann hast du damit begonnen und fällt es dir immer leicht darauf zu achten?

Ramona: Das war ein Prozess, der über viele Jahre ging. Ich habe schon immer Dinge hinterfragt, das half mir auch, Missstände zu erkennen und mit Veränderung bei mir selbst zu beginnen. So habe ich beispielsweise mein Ernährungsbewusstsein sensibilisiert. Meine Mutter hat schon früher alles frisch für uns gekocht. Als ich dann selbst mit dem Kochen angefangen habe und mich viel mit Ernährungsfragen beschäftigte, wuchs auch meine Erfahrung mit den Lebensmitteln. Meine Jobs, mit denen ich meine Ausbildung finanzierte, suchte ich auch immer im Bio-Bereich.
Ob es mir insgesamt leicht fällt, auf einen umweltbewussten Lebensstil zu achten? Ich würde sagen, dass vieles einfach selbstverständlich ist, wie z.B. das Autofahren zu vermeiden, und ich so nicht bewusst darauf achten muss. Also, empfinde ich einen umweltbewussten Lebensstil auch nicht als anstrengend. Aber natürlich entdecke ich immer wieder Einzelheiten, die ich noch verbessern kann. So bin ich nach wie vor einer stetigen Entwicklung unterworfen und verhalte mich natürlich nicht in allen Dingen „perfekt“, was auch immer das heißen mag (lacht). Man hört nie auf dazuzulernen.

Bio-Gemüse und Obst im RutaNatur

Von wem bekommt ihr eure Waren angeliefert?

Es ist ein Netzwerk aus verschiedenen kleinen und wenig größeren Lieferanten, von denen wir unsere Ware beziehen. Im Fokus steht für mich der direkte Bezug zu kleinen Manufakturen, die in vielen Fällen auch aus der Nähe kommen. Da wir sehr viele Anforderungen an den Lieferanten stellen – in erster Linie natürlich, was das Verpackungsthema betrifft – ist es nicht immer leicht, alle Kriterien bei der Auswahl eines Lieferanten zu erfüllen. So kommt vielleicht das ein oder andere Produkt z.B. nicht aus der unmittelbaren Umgebung, erfüllt dafür aber unseren hohen Anspruch in Bezug auf die Verpackung beim Versand.

Große Putzmittel- und Seifenspender von Sonett

Wird auch bei der Anlieferung auf umweltfreundliche und nachhaltige Verpackung geachtet oder habt ihr darauf keinen Einfluss?

All unsere Zulieferer schicken Großgebinde, wie zum Beispiel der Naturkosthersteller Rapunzel. Meist in Säcken von 10-25 kg, möglichst in Papier verpackt. Wir haben auch einige Mehrweglösungen oder lassen uns, wie im Falle von manchen Ölen, diese direkt von der regionalen Ölmühle Kappelbauer in unsere Edelstahlkanister einfüllen. Insgesamt gibt es immer noch ein paar Schwächen bei manchen Herstellern bzw. bei dem einen oder anderen Produkt, aber da sind wir dabei, Aufklärungsarbeit zu leisten und immer weiter zu verbessern.

Wie achtet ihr auf Hygiene im verpackungsfreien Laden?

Hygiene ist im Lebensmittelbereich enorm wichtig. Wir achten noch stärker darauf, weil wir mit loser Ware arbeiten, die wir auch umfüllen müssen. So haben wir strikte Maßnahmen einzuhalten, damit alles hygienisch einwandfrei verkauft wird. Zum Beispiel müssen beim Abfüllen die Haare zusammen gebunden werden, für jedes Produkt wird eine extra Schaufel verwendet, oder dieselbe, vor dem Wechsel zum anderen Produkt, gut gereinigt. Den direkten Kontakt zum Lebensmittel vermeiden wir grundsätzlich. Außerdem wird natürlich alles regelmäßig gründlich geputzt.

Unsere Spender sind gut verschlossen, so dass auch da kein direkter Kontakt mit dem Lebensmittel möglich ist. Dort, wo man sich mit den Schaufeln bedienen kann, haben wir einen Deckel, der angehoben werden muss. Diese Schaufeln werden auch mindestens einmal pro Tag nass gereinigt.

Wir standen von Anfang an mit der Lebensmittelbehörde in engem Kontakt, was uns hilft einen hohen hygienischen Standard einzuhalten.

Bei euch gibt es Lebensmittel, Backwaren, Putzmittel, Haushaltswaren, Hygieneartikel und vieles mehr. Gibt es etwas Besonderes, das vielleicht nur wenige kennen, aber dich total überzeugt hat, als du es das erste Mal probiert hast? (überlegt) Ja, tatsächlich …, das war ein festes Shampoo. Es sieht auf den ersten Blick wie Seife aus. Es nennt sich Shampoo-Bit, ist biologisch abbaubar und in liebevoller Handarbeit hergestellt. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausführungen für die verschiedenen Haartypen. Ich bin sehr glücklich damit und nutze, seitdem ich es kenne, kein anderes Shampoo mehr.

Was war die größte Hürde oder das größte AHA-Erlebnis auf deiner Reise in die Selbstständigkeit? Gibt es etwas, das du mit unseren Lesern teilen möchtest?

Oft stellt man sich das mit einem eigenen Unternehmen so spannend vor (lacht), dabei darf man die trockenen Vorgänge nicht unterschätzen, wie zum Beispiel Behördengänge, Büroarbeit, etc. Wichtig ist auch eine umfassende Recherche und Vorbereitung. Ich war im Unverpackt-Laden in Kiel, wo ich auch an einem Gründerseminar teilgenommen habe. Dort erlangte ich mein Basiswissen über dieses Geschäftsfeld. Letzten Endes muss man dann seine eigenen Kontakte knüpfen und sich viel selbst aneignen. Das meiste lernte ich wirklich während des Prozesses.

Auch der Austausch mit anderen hat mir sehr geholfen. Man braucht einfach ein Netzwerk, das einen stärkt. Ich habe zum Glück meinen Lebenspartner und meine Familie im Rücken, alleine wäre es nicht so leicht zu schaffen gewesen.

Viele verschiedene Behältnisse – wie diese Gläser mit Tafelfolie – können im Laden erworben werden. So wird verpackungsfrei einkaufen zum Kinderspiel!

Was hast du vor deiner Selbstständigkeit gemacht?

In meinem vorherigen Job war ich als Reiseverkehrskauffrau bei einem nachhaltigen Reiseveranstalter angestellt. Der Fokus lag dort auf dem individuellen und ökologischen Reisen. Schon damals ging ich einer Tätigkeit nach, die zu meiner Lebenseinstellung passte. Es war eine tolle Zeit. Ich durfte viel Verantwortung übernehmen und sammelte auf diese Weise Erfahrungen. Davor arbeitete ich viele Jahre als Glasgestalterin. Diese intensive Zeit des handwerklichen, kreativen Schaffens mit vielen Projekten prägte mich für mein weiteres Leben sehr.

Gründerin Ramona (Bild: Mit freundlicher Genehmigung von RutaNatur.)

Wofür bist du gerade am meisten dankbar?

Ich kann tagtäglich über so Vieles dankbar sein. Aktuell ist das neue Leben in meiner Familie natürlich besonders präsent. Unser Sohn ist einfach das größte Geschenk. Der Laden, und die Bewegung, die damit verbunden ist, machen mich natürlich auch sehr glücklich. Der große Einsatz meines Partners und meiner Familie sowie die Begeisterung und das Mitwirken vieler Menschen sind unglaublich – alle wollen irgendwie helfen. Jede Idee braucht auch mentale Unterstützung, damit sie leben kann.

Das waren schöne Worte zum Abschluss des Interviews. Liebe Ramona, herzlichen Dank für deine Zeit und das gute Gespräch! Wir sehen uns im RutaNatur!

Viel Spass beim verpackungsfreiem Einkaufen!

Buch von Harald Welzer
Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand*


Sandra Strixner

ist eine Genussweltenbummlerin die gerne neue Länder und Kulturen entdeckt. Rezepte auf Pflanzenbasis zu entwickeln lässt ihr Herz höher schlagen. Sie ist ein Green-Networker und beschäftigt sich mit Persönlichkeitsentwicklung, Ernährungslehre und Tierschutz. Als geprüfte Fachberaterin für holistische Gesundheit darf sie Menschen dabei begleiten sich selbst zu heilen.


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